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Warum Provisionen in der Finanzberatung ein Problem sind

Stand:
Viele Verbraucher:innen suchen Unterstützung bei ihrer Anlageentscheidung. Doch Bankberater und Versicherungsvertreter wollen ihnen häufig nur neue Finanzprodukte verkaufen. Aus Sicht der Verbraucherzentralen geht es ihnen eher darum, Provisionen zu kassieren statt bedarfsgerecht zu beraten.
Ein Mann im Anzug sitzt am Schreibtisch und tippt Zahlen in einen Taschenrechner.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Verbraucher:innen werden in der sogenannten Finanzberatung oft unpassende und teure Produkte verkauft.
  • Grund dafür sind Fehlanreize aufgrund von Provisionen.
  • Fehlanreize in der Finanzberatung können durch ein Verbot von Provisionen abgestellt werden.
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Warum fordern die Verbraucherzentralen ein Provisionsverbot?

Fehlanreize in der Finanzberatung können durch ein Verbot von Provisionen abgestellt werden. Berater:innen sollen ausschließlich im Auftrag und im Interesse der Verbraucher:innen handeln.

Dieses Problem war auch in der Europäischen Kommission längst bekannt: "Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Verbraucher in der EU das Recht auf eine angemessene Beratung zu angemessenen Preisen haben. Eine Beratung, die für ihre Bedürfnisse am besten geeignet ist, die ihnen die besten Erträge bringt und der sie vertrauen können. Und ich denke, Vertrauen ist der Schlüssel", sagte EU-Kommissarin Mairead McGuinness Ende Januar 2023.

Von diesen Plänen blieb dann aber nicht mehr viel übrig. Die Kommission hat ihre Pläne, ein Provisionsverbot einzuführen, nach massiver Kritik durch die Finanzlobby vorerst fallengelassen. Stattdessen sollen nun andere Maßnahmen umgesetzt werden, die aber den Fehlanreiz nicht beseitigen.

Die Verbraucherzentralen werden beobachten, wie die Maßnahmen wirken und sich in jedem Fall weiter für ein Provisionsverbot stark machen.

Podcast zum Thema Provisionsverbot

 

Warum Provisionen ein strukturelles Problem darstellen

Verbraucher:innen wenden sich an einen Finanzberater, wenn sie aufgrund fehlender Informationen oder fehlender Zeit eine Anlageentscheidung nicht selbst treffen können oder wollen. Sie erwarten als Ergebnis der Finanzberatung eine ihrem Bedarf, insbesondere ihrer Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit, entsprechende Empfehlung. Sie möchten wissen, mit welchen Anlageprodukten sie ihr Ziel, beispielsweise eine ihren Lebensstandard sichernde Altersvorsorge, am besten erreichen.

Berater:innen bei Finanzinstituten, wie etwa Banken, vertreten die Interessen ihres Arbeitgebers. Der wiederum will durch die Anlage Geld verdienen und motiviert Finanzberater:innen deshalb, teure Anlageprodukte zu verkaufen. Dazu sind die Verkäufer:innen auch bestens geschult. Sie werden gezielt in Methoden der Verkaufspsychologie  ausgebildet und wenden diese an. Mindestens ihre Karriere hängt vom Vertriebserfolg ab, zum Teil werden aber auch Boni gezahlt, je nach Verkaufserfolg.

Daneben gibt es auch viele Versicherungsvermittler:innen oder vermeintlich unabhängige Finanzberater:innen sowie Strukturvertriebe, die ebenfalls Produkte gegen Vertriebsprovisionen auf eigene Rechnung oder für andere Finanzinstitute vermitteln. Deren Einkommen hängen  direkt oder indirekt von der Höhe der Provisionen ab.

In einer Situation, in der Verbraucher:innen Rat suchen, haben Finanzberater:innen einen Informationsvorsprung, den Verbraucher:innen nicht aufholen können. Sie können nicht erkennen, ob die angebotene Anlagemöglichkeit wirklich die für sie bestmögliche Empfehlung ist.

Finanzberater:innen empfehlen, für ihre Kundschaft unerkennbar, gezielt solche Produkte, mit denen sie am meisten Geld verdienen.

Welchen Schaden Provisionen verursachen

Provisionen verhindern bedarfsgerechte Anlageentscheidungen. Aufgrund der Provisionen wählen Verkäufer:innen Produkte nach der Höhe der Provision aus, nicht nach dem Bedarf der Ratsuchenden. Deshalb werden Verbraucher:innen zum Beispiel zur Altersvorsorge in erster Linie private Rentenversicherungen verkauft. Da wird eine hohe Abschluss- und Bestandsprovision bezahlt, während ein simpler ETF-Sparplan so günstig ist, dass kein Anreiz für Vermittler:innen besteht, diesen zu empfehlen. ETFs sind aber häufig auch eine gute und bedarfsgerechte Wahl für Verbraucher:innen, gerade zur Altersvorsorge.

Ein anderes Beispiel: Vor einigen Jahren hatten Banken in der allgemeinen Negativzinsphase Verwahrentgelte eingeführt. Wer diese nicht bezahlen wollte, dem wurden teure Mischfonds verkauft. Dafür konnten die Banken über die Provision das Zehnfache dessen kassieren, was sie nach einem Jahr mit dem Negativzins kassiert hätten. Und was hatten die Verbraucher:innen davon? Sie zahlten satt Provisionen und blieben auf den Kursverlusten von 20 Prozent und mehr binnen eines Jahres sitzen. 

Oder: Jungen Menschen werden Rentenversicherungen zur Altersvorsorge verkauft, bei denen das Geld in angeblich professionell verwaltete Fonds angelegt werden soll. Erst wenn die Verbraucherzentralen die Verträge nachrechnen, wird das Ausmaß des Schadens deutlich. Selbst 20 Jahre nach Vertragsabschluss sind viele Verträge noch im Minus, vor allem wegen hoher Kosten, woraus auch die Provisionen bezahlt werden. Bei bedarfsgerechter Anlage hätten die Sparenden dagegen die Kapitalmarkterträge bei minimalen Kosten fast vollständig vereinnahmen können. Statt des Verlustgeschäfts schlügen ordentliche Erträge zu Buche. 

Schließlich werden wegen Provisionen häufig neue Produkte verkauft, um mehrmals abzukassieren. Verbraucher:innen schildern, dass  Vermittler:innen ihnen schon zweimal geraten hatten, den Riester-Altersvorsorge-Vertrag zu wechseln. Jedes Mal wurde neu Provision kassiert, jedes Mal war die Empfehlung nicht bedarfsgerecht.

Das sind keine Einzelfälle: Mehrfach haben die Verbraucherzentralen Marktbeobachtungen veröffentlicht und Fälle aus der Verbraucherfinanzberatung ausgewertet. Demnach waren 95 Prozent der Anlagevorschläge von Finanzberater:innen nach Auffassung der Verbraucherzentralen nicht bedarfsgerecht.

Warum die provisionsbasierte Beratung gerade für Kleinanleger:innen ein Problem ist

Das Argument, Kleinanleger:innen könnten sich keine Beratung mehr leisten, wenn Provisionen verboten wären, ist ein Scheinargument. Denn  was Kleinanlegern vorgeblich kostenlos angeboten wird, hat mit einer Beratung nichts zu tun. Was angeboten wird, sind standardisierte Verkaufsgespräche: Verkauft wird nur, was Provision bringt. Kleinanleger bezahlen über versteckte Kosten und offene Provisionen bereits ein Vielfaches dessen, was angesichts des überschaubaren Beratungsaufwands überhaupt notwendig wäre. Typischerweise bezahlen sie oft um die 2.000 Euro für den Abschluss einer Riester Rente. Für ein Verkaufsgespräch, das kaum länger als 30 Minuten dauert, den Smalltalk eingeschlossen.

Der Schaden ist für Kleinanleger:innen wegen der Intransparenz der Provisionen und der Beratungsqualität nur nicht so offensichtlich. Da sie nur über begrenzte Mittel verfügen, um zu investieren, ist es besonders wichtig, dass sie vor Fehlberatung geschützt werden und von unabhängiger Beratung und kostengünstigen Produkten profitieren können. Wer nur 50 Euro übrig hat und sonst kein Vermögen, ist ohnehin besser beraten, erst einmal Rücklagen und ein Polster aufzubauen, statt das Geld gleich in einer 40-jährigen Rentenversicherung zu binden, die wahrscheinlich vorzeitig doch wieder gekündigt werden muss, wie die Mehrzahl der Verträge.

Die Lösung: Provisionsverbot

Damit Provisionen das Beratungsergebnis nicht mehr bestimmen, muss gelten: wo Beratung drauf steht, darf keine Provision drin sein. Man muss also Beratung und Verkauf per Gesetz voneinander abgrenzen.

  • Als Finanzberater:in darf sich nur bezeichnen, wer keine Provisionen oder sonst irgendwelche Zuwendungen von Dritten erhält.
  • Die Bezeichnung Finanzberatung muss gesetzlich so definiert sein, dass sie sich ausschließlich am Bedarf der Ratsuchenden ausrichtet. Die Definition muss produktübergreifend einheitlich sein. Verbraucher:innen müssen sich darauf verlassen können, wenn sie schon Geld für Beratung bezahlen, dass Berater:innen ihre Interessen vertreten. Und nur ihre.
  • Außerdem ist Finanzberatung wirksam durch eine Aufsichtsbehörde wie die BaFin zu überwachen, auf Grundlage der Regeln, die für die unabhängige Finanzberatung gelten.
  • Es dürfen nur Finanzberater:innen zugelassen sein, die qualifiziert sind, eine Beratung ausschließlich am Bedarf der ratsuchenden Verbraucher:innen auszurichten. Sie müssen den Bedarf der Ratsuchenden zutreffend ermitteln und die am Markt angebotenen Finanzprodukte verlässlich und richtig in Bezug auf die Bedarfe der Ratsuchenden bewerten können.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat dazu ein Positionspapier verfasst. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert ein Provisionsverbot und strengere gesetzliche Regelungen .

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