Weshalb Geldanlage-Produkte unterschiedlich nachhaltig sind
In allen Anlageklassen, von Sparprodukten über Investmentfonds, Aktien, Anleihen bis hin zu risikoreichen Direktinvestments, gibt es mittlerweile nachhaltige Produktvarianten.
- Man erkennt sie an den Kürzeln ESG (enviromental, social, governance) bzw. SRI (socially responsible investment).
- Oder sie tragen Zusätze wie "sustainable", "grün", "nachhaltig" oder "Klima" in ihren Namen.
Doch wie nachhaltig diese Produkte tatsächlich sind, lässt sich daraus per se nicht ableiten. Die Gründe dafür sind unter anderem:
1. Keine verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien
Es gibt keine einheitliche Definition für nachhaltige – oder auch ethisch-ökologische oder grüne – Geldanlagen. Der Begriff ist nicht geschützt und es gibt auch keine Mindeststandards. Jeder Anbieter kann etwas Anderes damit meinen.
2. Unterschiede durch die Wahl der Anlageansätze
Die Anbieter wenden sogenannte ESG-Kriterien an. Dieses englische Kürzel steht für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Dabei gibt es unterschiedliche Anlageansätze, die entweder vermeidenden oder fördernden Charakter haben. In der Praxis werden diese zum Teil auch miteinander kombiniert – je nach Nachhaltigkeitsverständnis des jeweiligen Anbieters.
4 gängige Anlageansätze stellen wir hier vor:
- Ausschlusskriterien (Negativkriterien)
Es wird bestimmt, in welche Unternehmen oder Branchen kein Geld fließt. Sehr häufig wird die Produktion von Atomenergie, Kohle, Erdöl, Waffen und Tabak ausgeschlossen. Oder es bleiben alle Firmen außen vor, die Kinderarbeit oder Arbeitsrechtsverletzungen zulassen.
- Gezielte Investitionen (Positivkriterien)
Es wird festgelegt, in welche nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen und Branchen investiert wird. Beispielsweise können diese zum Bereich der erneuerbaren Energien gehören. Oder es sind Firmen, die sich durch ein besonderes soziales Engagement auszeichnen.
- Best-in-Class
Die Anbieter wählen solche Anlagemöglichkeiten aus, die in ihrer Branche im Sinne der Nachhaltigkeit besser zu bewerten sind. Keine Branche wird von vorneherein ausgeschlossen. Deshalb können auch Wirtschaftszweige wie die Erdöl-, Atom- oder Rüstungsindustrie im Portfolio landen. Dies mag auf den ersten Blick verwundern. Dahinter steckt aber der Wunsch, dass so auch die weniger engagierten Branchenvertreter animiert werden sollen, es dem "Klassenbesten" gleich zu tun. Indem sie ihr soziales, ethisches und ökologisches Engagement verstärken, können sie in ihrem ESG-Rating künftig besser abschneiden. Befürworter dieses Ansatzes hoffen, dass so die gesamte Branche nachhaltiger wird.
- Engagement
Dabei treten Finanzanbieter wie Fondsgesellschaften, Versicherungen oder Banken in den direkten Dialog mit Unternehmen oder nutzen bei Aktiengesellschaften ihre Stimmrechte als Aktionäre, um auf die Unternehmenspolitik einzuwirken. Durch diese Einflussnahme soll das Unternehmen nachhaltiger werden.
Alle genannten Anlageansätze haben aber auch Grenzen und Schwächen.
Bei den Positivkriterien unterscheiden sich oft die Blickwinkel auf die Nachhaltigkeit. So kann man kritisieren, dass Gezeitenkraftwerke, Windräder, Staudämme oder die Herstellung von Biokraftstoff auch ökologisch negative Folgen haben können. Außerdem birgt eine geringere Streuung bei Fokussierung auf eine Branche beispielsweise der erneuerbaren Energien ein höheres Schwankungs- und Verlustrisiko.
Auch bei den Ausschlusskriterien scheiden sich oft die Geister. Bei den von der Verbraucherzentrale Bremen durchgeführten Untersuchungen zu Banken und zu Investmentfonds wurde ersichtlich, wie unterschiedlich diese angewandt wurden und wie unterschiedlich die Erwartungen der Anleger hierzu sind. Auch Toleranzgrenzen werden bei den Ausschlüssen manchmal geduldet.
Und wenn man Unternehmen bevorzugt, welche ihre Mitarbeiter:innen zwar fair bezahlen und sich für gute Arbeitsbedingungen einsetzen, aber "umweltschädlich" produzieren, entsteht ein Spannungsfeld: Naturgemäß wird in jedem ESG-Rating ein Umweltschaden mit einem positiven Umgang mit der eigenen Belegschaft aufgerechnet. Anleger sollten daher prüfen, wie das Nachhaltigkeitsverständnis des Finanzanbieters oder des Produktes ist und ob die Anwendung der Ansätze zu den eigenen Vorstellungen passt.
3. Unterschiedliche Bewertung durch Ratingagenturen
Um die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu bewerten, greifen Produktanbieter, Vermögensverwalter, institutionelle Investoren sowie Siegelanbieter auf ESG-Ratings zurück. Deren Einschätzungen fallen aber unterschiedlich aus. Die Gründe für die Abweichungen sind, dass Messung, Anwendung und Gewichtung von Nachhaltigkeitskriterien nicht einheitlich geschehen. Hinzu kommt eine weitere Unsicherheit: Manche Agenturen greifen auf öffentliche Daten zurück, andere erweitern sie noch um Informationen von NGOs, Medien, aus Unternehmensberichten und Interviews.
Fehlende Daten von Unternehmen und nicht einheitliche Standards für Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen erschweren die Auswertung zusätzlich.
Mehr Klarheit und Standards sollen durch Regelwerke der Europäischen Union geschaffen werden, die nach und nach in Kraft treten. Sie gelten derzeit jedoch noch nicht vollumfänglich. Die EU-Regelungen haben das Ziel, einheitliche Kriterien für die Nachhaltigkeit von Geldanlagen festzulegen und somit Transparenz und Verlässlichkeit für Investoren zu schaffen. Die Grundlage für diese Regulierungen wurden im März 2018 mit dem EU Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem gelegt. Eine der Regelungen, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), soll die Unternehmensdatenlage verbessern.
Durch die CSRD wird eine umfassendere Nachhaltigkeitsberichtserstattung der Realwirtschaft also der Unternehmen auf den Weg gebracht. Die bisherigen Berichtspflichten über die Angabe sogenannter nicht finanzieller Informationen werden dadurch erheblich erweitert und gelten darüber hinaus für einen größeren Kreis von Unternehmen. Die CSRD startet zum Berichtsjahr 2024. Erste Berichte liegen also in 2025 vor. Sie tritt gestaffelt in Kraft, das heißt manche Unternehmen müssen jedoch erst in 2028 danach berichten.
4. Unterschiedliche Wirkung
Ihre Geldanlage hat eine nachhaltige Wirkung, wenn Sie damit Unternehmen zu nachhaltigem Handeln bewegen. Man spricht dann von einem "Investor Impact". Ein Beispiel: Sie investieren direkt in einen Windpark, der ohne Ihr Geld nicht entstanden wäre. Wenn Sie hingegen Aktien eines Unternehmens kaufen, das Windparks errichtet, dann wechseln die Aktien lediglich den Besitzer.
Zeigt uns dieses Beispiel, dass Aktien keine nachhaltige Wirkung haben können? Und wie steht es um die Wirkung von weniger risikoreichen Geldanlagen, also Sparprodukte, Investmentfonds und Green Bonds?
Mit diesen Fragen haben sich die Autoren Prof. Dr. Marco Wilkens und Prof. Dr. Christian Klein in einem vom vzbv beauftragten Gutachten befasst. Sie haben die transformativen Wirkungen ("Impact") solcher Geldanlagen unter die Lupe genommen. Die Autoren gehen davon aus, dass Geldanlagen eine Wirkung haben, wenn durch sie Realinvestitionen zur Erreichung eines Nachhaltigkeitsziels durchgeführt werden, die ohne diese Geldanlagen nicht realisiert worden wären. In ihrer Untersuchung beschreiben sie drei Wirkungskanäle:
- direkt durch Renditeverzicht
- direkt durch Einfluss auf das Management
- indirekt durch verschiedene Mechanismen
Sie kommen zu dem Schluss, dass Geldanlagen privater Anleger:innen eher indirekte transformative Wirkungen entfalten können. Durch eine indirekte Wirkung ist laut der Gutachter: "…im positiven Fall denkbar, dass Unternehmen als Arbeitgeber attraktiver werden, zusätzliche Kunden akquirieren und bei Kreditinstituten als weniger riskant eingestuft werden und infolgedessen bessere Kreditkonditionen erhalten". Auch könnte es "…dazu beitragen, dass Politiker eher bereit sind, eigentlich unpopuläre Entscheidungen zu Gunsten des Klimaschutzes zu treffen, weil sie weniger Angst haben müssen, dadurch Wählerstimmen zu verlieren". Mehr Forschung dazu sei aber noch erforderlich.
Seit der Veröffentlichung dieses Gutachtens im Januar 2021 beschäftigen sich nun zahlreiche Institutionen und Wissenschaftler noch intensiver mit der Erforschung und der Messbarkeit der Wirkung (Impact) von nachhaltigen Geldanlagen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.